Jeder Fünfte zeigt Stresssymptome wie Kopfschmerzen oder Schlafstörungen. Trotzdem ranken sich um das Phänomen viele Mythen. Aber Stress ist nicht gleich Stress.

Positiver Stress wirkt sich sogar manchmal aktivierend auf den Körper aus. Nicht jeder Mensch reagiert gleich auf Stress. Was für den einen als besonders stressig empfunden wird, ist für den anderen eine willkommene Herausforderung. Die zehn bekanntesten Stressmythen – und was dahintersteckt:

1) Stress macht schlank

„Wenn ich Stress habe, vergesse ich manchmal sogar zu essen“, sagen manche Menschen gerne. Grundsätzlich hat Stress aber einen gegenteiligen Effekt: Das Hormon Kortisol verändert den Stoffwechsel und führt zur vermehrten Fetteinlagerung, vor allem im Bauch- und Taillenbereich – und dort schadet es der Gesundheit besonders. Wer unter hoher Belastung leidet, ernährt sich außerdem häufig unausgewogen – Gestresste greifen vermehrt zu kohlenhydrat- und fettreichen Speisen. Da man auf der Arbeit wenig Zeit hat, vertilgt man sie schnell zwischendurch – oder isst am Abend die doppelte Portion.

2) Stress ist immer schädlich

Genauso falsch ist es, Stress zu verteufeln. Denn er ist eine natürliche Reaktion, die Menschen hellwach und reaktionsschnell macht. Der Körper ist auf Angriff gepolt. Damit bewältigen wir schwierige Situationen besser und fühlen uns zunächst leistungsfähiger. Solange Sie bei der Bewältigung einer Herausforderung in der so genannten Stretch-Zone bleiben, weil Sie es schaffen, die Anforderung zu bewältigen, dann ist Stress gut.

Der Grund: Es kommt zur Ausschüttung bestimmter Hormone wie zum Beispiel Dopamin, Serotoninoder Endorphin. Diese biochemische Mixtur kann dafür sorgen, dass wir Stress als neutral oder angenehm empfinden. Das gilt jedoch nur für bestimmte Situationen. Chronischer Stress (Sie fallen in die Stress-Zone weil Sie die Anforderung nicht schaffen) wirkt sich hingegen schädlich auf die Gesundheit aus. Denn dann zirkulieren die Stresshormone und werden nicht abgebaut.

3) Gegen Stress hilft nur Entspannung

Die Arbeit stresst, Zuhause geht auch alles drunter und drüber – da hilft nur noch, sich ganz bewusst zu entspannen. Falsch! Denn wer viel Stress hat, steht unter Strom und kann nicht auf Knopfdruck entspannen. Der Grund: Das Hormon Kortisol macht gleichzeitig zappelig macht, steigert Aggression und Unruhe. Die lässt sich nicht einfach wegmeditieren oder wegbaden. In diesem Fall hilft Bewegung, etwa eine Runde joggen oder ein Spaziergang. Hinzu kommt: Wer beim Nichtstun ständig grübelt, hält sein Stresslevel trotz vermeintlicher Entspannung auf konstantem Niveau. Besser ist dann Ablenkung in Form von Spielen oder Gesprächen.

4) Stress wirkt auf Männer und Frauen gleich

Körperlich reagieren Männer und Frauen zwar prinzipiell gleich auf Stress – die Folgen unterscheiden sich aber je nach Geschlecht. Während bei Männer ein hoher Stressfaktor eher zu Herz-Kreislauf-Problemen führt, macht er Frauen anfällig für psychische Erkrankungen. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass sich Frauen grundsätzlich mehr Gedanken über ihre Gesundheit machen. Typisch männliche Stressfolgen sind dagegen Herzinfarkt und Schlaganfall. Hinzu kommen Übergewicht, hoher Blutdruck sowie erhöhte Cholesterinwerte. Das Risiko, daran zu erkranken, steigt bei Managern, die wöchentlich mehr als 60 Stunden, rapide an.

5) Stress betrifft nur die Schwachen

Dieses Schwarz-Weiß-Denken ist überholt: Der amerikanische Psychologe Richard Lazarus beschrieb die Unterschiede in der Stressverarbeitung so: „Stresssituationen sind Wechselwirkungen zwischen den Anforderungen der Situation und der handelnden Person. Stress entsteht weniger durch die Ereignisse selbst als vielmehr dadurch, wie wir diese bewerten.“ Die Behauptung, dass Schwache anfälliger für Stress sind, ist damit hinfällig. Denn was für den einen Betroffenen Stress bedeutet, wird von einem anderen noch lange nicht als Stress empfunden. So können auch die „Starken“ Stress empfinden.

6) Stress ist ein modernes Phänomen

Die Gesellschaft wird schnelllebiger, permanent müssen wir – digital – erreichbar sein, die Zeit wird knapper – und der Stress immer größer? Könnte man meinen, doch eigentlich ist Stress ein uralter Überlebensmechanismus: Der Puls beschleunigt sich, der Blutdruck steigt, Muskeln spannen sich an. Bei Stress schüttet unser Körper große Mengen der Hormone Adrenalin und Kortisol aus – alles ist auf Angriff oder Flucht gepolt. Auch wenn wir uns heute nicht mehr vor dem Säbelzahntiger retten müssen, läuft die körperliche Reaktion auf Stress ab wie bei den Steinzeitmenschen. Das Thema „Stress“ ist also keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Der Körper reagiert auf Bedrohung blitzartig durch die Herstellung einer „Flucht oder Angriffsbereitschaft“ (Fight or Flight) oder den sogenannten Todstellreflex – wie zu Zeiten der Neandertaler.

7) Ältere Menschen sind schneller gestresst

Das stimmt ebenfalls nicht – zumindest nicht generell. Zwar hat Stress bei Menschen höheren Altersschneller körperliche Folgen, weil sie weniger belastbar sind. Trotzdem ist die Zahl psychischer Erkrankungen durch Stress in den vergangenen Jahren in der Gruppe der 20- bis 35-Jährigen am stärksten angestiegen und hat den höchsten Anteil bei den 40- bis 44-Jährigen. Das liegt an den steigenden Leistungsanforderungen im Job – und zunehmend unsicheren Arbeitsverhältnissen.

8) Stress entsteht durch die Arbeit

Richtig ist, dass Stress häufig im Arbeitsumfeld entsteht. Aber die Arbeitsbelastung selbst ist nicht ausschlaggebend, wie Wissenschaftler der Universität Helsinki herausfanden. Vielmehr sind oft negative Beziehungen und Emotionen am Arbeitsplatz die eigentlichen Übeltäter. Wer sich ständig mit anderen vergleicht, löst eine dauerhafte Frustrationsspirale in Gang, wie sie etwa Michael Cohn von der Universität Michigan beschreibt. Wissenschaftler sprechen dabei von der „Gratifikationskrise“: Wer viel leistet, ohne dafür angemessen belohnt zu werden, hat ein doppelt so hohes Risiko an Depression oder Herzinfarkt zu erkranken.

Gestresst ist außerdem, wer wenig Kontrolle über sein Handeln hat, zu wenig Anerkennung bekommt, nicht genug verdient oder nur geringe Aufstiegschancen hat. Neben objektiven Faktoren ist die subjektive Einschätzung von Bedeutung. D.h. wie bewerten wir eine Situation, als bedrohlich oder als bewältigbare Herausforderung. Bei einer bedrohlichen Bewertung befinden wir uns in der Stress-Zone und bei der bewältigbaren Herausforderung in der Stretch-Zone.

9) Stress lässt sich vermeiden

Ein Leben ohne Belastung gibt es nicht, auch wenn viele Ratgeberbücher „Nie mehr Stress“ versprechen. Doch er entsteht automatisch und lässt sich nicht vermeiden. Bereits wenn wir morgens aufwachen, schüttet unser Körper Stresshormone aus, damit wir in Schwung kommen. Ebenso lösen Geräusche – Lärm, Babyschreien oder Straßenverkehr – unwillkürlich Stress aus.

Sogar wenn wir leidenschaftlich Küssen, ist das Stress. Denn auf jeden Reiz reagiert das Gehirn mit Gedanken und Gefühlen – und der Ausschüttung von Stresshormonen. Entscheidend dafür, ob sich der Stress auf unsere Gesundheit auswirkt, ist daher nicht ob wir Stress haben, sondern wie viel und wie lange. Das heißt auch ohne Adrenalin, sozusagen unser Benzin im Tank, würden wir morgens gar nicht in die Gänge kommen und liegen bleiben.

10) Stress macht graue Haare

Finden Sie auch, dass Barack Obama seit seinem Amtsantritt enorm ergraut ist? Klar, das liegt sicher am Stress als US-Präsident. Könnte man meinen – stimmt aber nicht. Ergrauen ist genetisch bedingt – und außerdem altersbezogen. Ebenso falsch sind die Berichte, wonach Menschen gewissermaßen über Nacht ergrauen. Das liegt aber nicht daran, dass sich die Haare plötzlich entfärben, sondern an einem extremen Ausfall pigmentierter Haare.

Mehr zum Thema „Motivation und Erfolg“ siehe:http://www.erfolg-und-motivation.net